Nationale und globale Integration sind die Herausforderung unserer Zeit.

Dezember 2004

Das Jahr 2004 geht Zuende. Wir wurden in diesem Jahr an verschiedene „Jahrestage“ erinnert: 

200 Jahre nach Emanuel Kant sind heute seine Gedanken unter islamischen Intellektuellen aktueller denn je. Die erste Nummer der Barge Sabz (damals nur in Farsi) wurde im März mit einem Beitrag über Kant herausgegeben. Sein Satz „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ wurde im Hinblick auf den „Reformstau“ in der islamischen Welt erklärt und interpretiert. Wir haben diesen Satz zu unserem Leitgedanken gemacht.

Auch der 60. Jahrestag der Landung der Alliierten in Normandie erinnerte uns an das Ende des Zweiten Weltkrieges und Befreiung vom Faschismus.

Die Erinnerung an den Beginn des Ersten Weltkrieg war aber von einer besonderen Bedeutung:  Der Kalte Krieg zwischen der 1. und 2. Welt  ist beendet, aber die Folgen des 1. Weltkrieges sind noch nicht in der „Dritten Welt“ überwunden. Der Zerfall des osmanischen Reiches und die unbefriedigende  „Neuordnung“ des gesamten Nahen Ostens unter der Regie der europäischen Siegermächte waren Ergebnisse dieses Krieges. Ohne den Ersten Weltkrieg hätte es auch keinen Nationalsozialismus, keinen 2. Weltkrieg, kein Holocaust, keinen Kalten Krieg, und schließlich auch keinen Nahostkonflikt gegeben.

Unmittelbarer Anlaß des Ersten Weltkrieges war bekanntlich ein Terroranschlag:  die Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand durch den serbischen Nationalisten Gavrilo Princip am 28. Juni 1914 in Sarajevo.

Ist auch der 11. September 2001 ein solcher Stichtag? Hat damit eine neue Epoche angefangen?  Der Anschlag von Madrid und die Ermordung des niederländischen Regisseurs Theo van Gogh bringt uns die terroristische Gefahr der islamisten Fanatiker näher. Was heute den islamisch motivierten Terrorismus so gefährlich macht, ist seine Unberechenbarkeit. Die „weltlichen“ Befreiungsbewegungen waren während des Kalten Krieges wenigstens an irdischen Erfolg  orientiert. Die Islamisten von heute operieren blind und „nihilistisch“, geleitet von Haß und Wut. Die „Verwundbarkeit“ der bestehenden aus ihrer Sicht „ungerechten“ Weltordnung  zu demonstrieren ist für sie schon ein großer Erfolg.

Im  Zuende gehenden Jahr wurde auch das Integrationsproblem in Deutschland zu einem Dauerthema. Die Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzes, das mindestens 15 Jahre zu spät kommt, soll die Bildung von „Parallelgesellschaften“ verhindern. Die Probleme liegen aber leider viel tiefer. Desintegrationsprozesse auf nationaler und internationaler Ebene sind heute Folgen von versäumter Integration von Nationen in die Weltgemeinschaft nach zwei von Europa verursachten Weltkriegen und Einbebziehung von Minderreiten in nationale Gesellschaften.

Es ist noch nicht zu spät: der Dialog zwischen Kulturen muß enster genommen werden, und ein unverzichtbarer Teil dieses Dialogs ist die Verständigung zwischen Weltreligionen. In diesen stecken mehr Gemeinsamkeiten und Versöhnungspotential, als man annimmt. Politisch-religiöse Fanatiker bilden in allen Religionen eine Minderheit, die keine Toleranz verdient haben.

 

Hadi Resasade (www.resasade.de)

 

 

 

 

 

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