Hammer-Purgstall: der erste Übersetzer der Gedichte von Hafiz

Der persische Dichter Hafis († ca. 1390  in Shiraz) ist wohl der berühmteste klassische orientalische Poet in Europa. Im „Kindlers Neuen Literatur-Lexikon“ heißt es:

„Überall in Hafez‘ dichterischem Werk treten klar die Kennzeichen einer einzigartigen, überragenden Persönlichkeit hervor: das Wissen von der Hinfälligkeit aller Dinge, leidenschaftliche Liebe zum Dasein, ein scharfer Blick, der die Masken der Heuchelei und Bigotterie durchdringt, eine ungebrochene Jugendfrische, die aus geistiger Freiheit stammt, Ironie und hoher Kunstverstand.“

Die erste vollständige Übersetzung des Diwan von Hafiz wurde schon 1812 von Joseph Freiherr von Hammer-Purgstall geleistet. Er war Orientalist, Hofdolmetscher und österreichischer Diplomat im Orient. Von dieser Übersetzung ließ sich auch Goethe für seinen „West-östlichen Diwan“ inspirieren.

Eine voll überarbeitete Nachdichtung des Diwan erschien vor zwei Jahren mit zahlreichen Erklärungen und Kommentaren von Joachim Wohlleben (Die Ghaselen des Hafiz)

Alle von Joseph Freiherr von Hammer-Purgstall übersetzten Ghaselen sind im Internet veröffentlicht:

(www.deutsche-liebeslyrik.de/hafis/hafis.htm).

Wir bringen die Übersetzung einer der berühmtesten dieser Gedichte:

 

واعظان کاین جلوه بر محراب و منبر میکنند

چون به خلوت میروند، آن کار دیگــر میکنند

مشــــکلی دارم زدانشمـند مجــــلس باز پرس

توبه فرمایان چرا خود توبه کمـــتر می کنند؟

گوئیـــــا باور نمبـــــــدارند    روز    داوری

کاین همه قلب و دغل در کــــار مردم میکنند

بنده پیر  خراباتـــــــم که    درویشــــــان   او

گنــــج را از بی نـیازی خاک   بر سر میکنند

…………

 

 

Die Priester, die mit Stuhl und Pult,
In Kirchen gar so heilig tun,
Sie werden in der Einsamkeit
Das Gegenteil desselben tun.

Ich habe einen Zweifel, frag‘
Den Weisen der Gemeind‘ darum,
Warum die Buße-Prediger
Denn selbst so wenig Buße tun?

Nach allem Anschein glauben sie
Nicht an die Stunde des Gerichts,
Weil sie mit Trug und Gleisnerei
So viel des Ärgernisses tun.

Geleite diese Zunft, o Herr!
Zu ihrem Eselstall zurück.
Ihr Übermut rührt bloß daher,
Weil sie mit Striegeln Nichts zu tun.

Ihr Engel an der Schenkentür,
Lobsinget Euern Preisgesang,
Die Säuerung von Adams Stoff, 1
Nichts anders ist der Trinker Thun.

Seht ihre Schönheit mordet stets
Die Liebenden, ein Wunder ist’s,
Daß ungeachtet dessen stets
Noch Liebende hervor sich tun.

Ich bin ein treuer Knecht des Wirths,
Denn seine Jünger sind so reich,
Daß sie nur eine Handvoll Staub
Auf Reichtum und auf Schätze tun.

O Bettler, springe schnell herbei,
Ein Wasser, teilet man jetzt aus,
Ein Wasser, das die Herzen stärkt,
Die dann Verzicht auf alles tun.

Mach rein dein Herz vom Götzendienst,
Es sei nur des Geliebten Dach,
Wiewohl die Allbegierigen
Auch mehrere zusammen tun.

Des Morgens schallte ein Getön
Vom Himmel her: da sprach Vernunft:
Die Engel lernen dich Hafis,
Was könnten sie wohl Beßres tun?

 

1 Trinken heißt nichts anders, als den Erdenteig säuern, aus dem Adam geknetet ward; ohne diese Säuerung bliebe der Mensch ein abgeschmackter ungegohrner Klumpen.

 

 

……………………

 Sie haben dich, heiliger Hafis, Die mystische Zunge (لسان الغیب) genannt“ (Goethe)

 

Johann Wolfgang von Goethe schreibt über den persischen Dichter Hafis:

 „Längst war ich auf Hafis und dessen Gedichte aufmerksam, aber was mir auch Literatur, Reisebeschreibung, Zeitblatt und sonst zu Gesicht brachte, gab mir keinen Begriff, keine Anschauung von dem Wert, von dem Verdienste dieses außerordentlichen Mannes. Endlich aber, als mir im Frühling 1813 die vollständige Übersetzung aller seiner Werke zukam, ergriff ich mit besonderer Vorliebe sein inneres Wesen und suchte mich durch eigene Produktion mit ihm in Verhältnis zu setzen. Diese freundliche Beschäftigung half mir über bedenkliche Zeiten hinweg und ließ mich zuletzt die Früchte des errungenen Friedens aufs angenehmste genießen.“

( Goethe: Divan, Noten und Abhandlungen (Hamburger Ausgabe) 

Goethe war so von Hafiz begeistert, daß er ihn als „heilig“, „alten Meister“ und seinen „Zwillingsbruder“ bezeichnete. In einem Gedicht von Goethe heiß es:

»Sei das Wort die Braut genannt, / Bräutigam der Geist

/ diese Hochzeit hat gekannt, / Wer Hafisen preist.«

 

 

Bösen Felsweg auf und nieder
Trösten, 
Hafis, deine Lieder,
Wenn der Führer mit Entzücken
Von des Maultiers hohem Rücken
Singt, die Sterne zu erwecken
Und die Räuber zu erschrecken. 

 

Will in Bädern und in Schenken,
Heilger 
Hafis, dein gedenken,
Wenn den Schleier Liebchen lüftet,
Schüttelnd Ambralocken düftet.
Ja, des Dichters Liebesflüstern
Mache selbst die Huris lüstern. 

 

Wolltet ihr ihm dies beneiden
Oder etwa gar verleiden,
Wisset nur, daß Dichterworte
Um des Paradieses Pforte
Immer leise klopfend schweben,
Sich erbittend ewges Leben.

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